Logotherapie & Existenzanalyse
Menschenbild und Methode
Menschenbild in der Logotherapie:
Der Mensch als geistiges Wesen nimmt in jedem Augenblick seines Daseins Stellung zur Welt (Umwelt, Innenwelt) und sein Sich-verhalten ihr gegenüber ist ein freies. Er entscheidet, wie er sich verhält, wie er Stellung zu ihr nimmt, sich einstellt. Deshalb ist der Mensch auch mehr als Opfer seines Schicksals.
Der Mensch besitzt die sog. „Trotzmacht des Geistes“, die Fähigkeit seines Geistes sich zu distanzieren, und trotz allem sich so zu verhalten, wie er selbst es entscheidet.
Dies spricht den Menschen radikal verantwortlich für sein Verhalten und eröffnet ihm gleichzeitig die Möglichkeit sein höchstes Potential zu verwirklichen. Trotz erfahrener Lieblosigkeit, kann ich mich entscheiden, ein liebevoller Mensch zu sein und mich liebevoll zu verhalten.
Aufgrund dieser Auffassung stand Viktor E. Frankl für die unantastbare Würde des Menschen ein, aber auch für die Freiheit und Verantwortlichkeit des menschlichen Geistes, der ein entscheidender Geist ist, der mitentscheiden darf über sich und seine Taten.
„ Freiheit besagt weder absolute Bewusstheit aller vollzogen in Akte noch reine Selbstschöpfung aller Werte, sondern sie verweist logotherapeutisch auf ein letztes unbedingtes menschliches Person-Sein. Jenseits aller determiniert oder gar pathologisch erscheinenden Äußerungen eines Menschen vermag dieser Personenkern niemals zu erkranken, da sein Wesen in einer „unbewussten Geistigkeit“ gründet. Durch dieses „noetische Axiom“ unterscheidet sich die Logotherapie von anderen Psychotherapieschulen, die das Unbewusste vor allem durch energetische Triebe, gesellschaftliche Sozialisation oder konditionierte Reflexe bestimmt sehen.“ (Rolf Kühn: Sinn – Sein – Sollen)
Dieses „noetische Axiom“ zeichnet die Logotherapie aus und verleiht ihrem Methodenrepertoire ein unerschütterliches Fundament (E. Lukas).
Der Wille zum Sinn
Der Mensch strebt nach einem erfüllten Dasein, er besitzt einen „Willen zum Sinn“. Die Logotherapie hat es sich zur Aufgabe gestellt, eben diesen Willen zum Sinn in Menschen anzuregen und im Verschüttungsfalle wiederzubeleben, um mit seiner Hilfe und durch seine Stärkung seelische Entgleisungen zu regulieren.
Forschungsergebnissen zu Folge korreliert ein unerfüllter "Wille zum Sinn", also geringe Lebenssinnempfindung u.a. mit Selbst- und Fremdablehnung (Lebensunzufriedenheit), wohingegen ein erfüllter "Wille zum Sinn", also eine hohe Lebenssinnempfindung mit ausgeprägter Lebenszufriedenheit und emotionaler Stabilität korreliert.
Der Wille zum Sinn findet insbesondere dann keine Erfüllung, wenn Menschen etwas nicht verstehen können und/oder sich ohnmächtig und ausgeliefert fühlen.
Dem versucht die Logotherapie entgegenzuwirken mit ihrer Methodik und ihrem Selbstverständnis als Beistand in der Sinnfindung.
(s. E. Lukas, Der Schlüssel zum sinnvollen Leben, S.29ff.)
Wobei noch festgehalten werden sollte, dass es sich hier nicht um den „Sinn des Lebens“ im Allgemeinen handelt, den es zu entdecken gilt, sondern um den „Sinn des Augenblicks“ und dessen Bedeutung. Es geht hier darum, den konkreten Sinn in konkreten Lebensgegebenheiten und nach dem Sinnvollsten, das mit unserer Hilfe aus ihnen entspringen könnte zu erfragen, zu enträtseln, und auf diese Frage lassen sich oft unerwartete aber durchaus griffige Antworten finden. Diese Antworten beinhalten gleichsam immer eine Einmaligkeit und Einzigartigkeit und sind keine allgemein gültigen Handlungsanweisungen. Im Gegenteil, der Sinn des Augenblicks ist vom konkreten (einmaligen) Moment, der (einzigartigen) Person und den gegebenen Möglichkeiten abhängig und somit zutiefst individuell und nicht austauschbar. Im manchen Fällen geht es um eine sinnvolle Entscheidung, die das bestmögliche für alle Beteiligten zum Ziel hat, und auch wenn diese Entscheidung mitunter starke emotionale Überwindung kosten kann, so kann sie doch auch einen Wertzuwachs erzeugen.